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Missbraucht!
Info, Kirche + Religion • 18.10.2020 • 17:30 - 17:59
Karl Haucke, Sprecher des Betroffenen-Beirats
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Patrick Bauer in der Kapelle des Gefängnisses Siegburg. Patrick Bauer wurde von einem Pater missbraucht und ist trotzdem selbst Seelsorger geworden.
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Missbrauchs-Betroffene demonstrieren bei der Bischofskonferenz in Mainz.
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Originaltitel
Echtes Leben
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2020
Info, Kirche + Religion
"Es geht um einen echten Wechsel in unserer Haltung und um eine Begegnung mit den Betroffenen auf Augenhöhe", verspricht der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki im November 2018, als er den deutschlandweit ersten Betroffenenbeirat gründet, dem nur Betroffene von sexueller Gewalt in der katholischen Kirche angehören und keine Experten. Ein vielversprechendes Novum. "Uns läuft die Zeit davon!", resümiert Karl Haucke (69) heute, knapp eineinhalb Jahre später. Und Patrick Bauer (51) ergänzt: "Unter den Betroffenen sind viele alte Menschen und die sterben. Das geht einfach nicht!" Beide sind Sprecher des insgesamt zehnköpfigen Kölner Betroffenenbeirates und wirken ernüchtert. Dabei wollte der Kölner Erzbischof doch alles besser machen. Zehn Jahre ist es her, dass 2010 in Deutschland die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche erstmals publik werden. Ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin erheben schwere Vorwürfe gegen ihre Lehrer. Gesellschaft und Politik sind schockiert, die Kirche verspricht Aufklärung. 2018 belegt dann die sogenannte MHG-Studie, wie flächendeckend der Missbrauch war. Aus den kirchlichen Personalakten, die die Wissenschaftler nutzen konnten, geht hervor, dass seit 1946 über 1600 Täter über 3600 Kinder missbraucht haben. Im Schnitt wären von 100 Geistlichen vier Missbrauchstäter. Wieder ist die Empörung groß. Wieder verspricht die Kirche Aufklärung. Und überlegt finanzielle "Leistungen in Anerkennung des Leids". Bislang hat die katholische Kirche in einzelnen Fällen jeweils nur bis zu 5.000 Euro an Betroffene als "Symbol der Anerkennung" ihres Leids gezahlt. Im März 2020 beschließt die DBK die finanzielle "Leistungshöhe zukünftig an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern in vergleichbaren Fällen" zu orientieren und entscheidet, "als Referenzpunkt, den oberen Bereich von Leistungen in vergleichbaren Fällen anzusetzen", womit Leistungen von bis zu 50.000,- Euro möglich wären. Anträge dafür können Betroffene aber erst ab dem 1. Januar 2021 stellen. Viele Betroffene fordern hingegen Entschädigungen bis zu sechsstelligen Eurosummen. Bislang wurden die wenigsten Täter zur Rechenschaft gezogen, die meisten Fälle sind ohnehin verjährt. Kardinal Woelki dagegen kündigt den Mitgliedern seines Kölner Betroffenenbeirates an, nicht nur die Namen von Tätern öffentlich zu machen, sondern auch derer, die im Kölner Bistum Missbrauch vertuscht haben. Für die Betroffenen eine wichtige Zusage, erinnert sich Patrick Bauer: "Wenn da schwarz auf weiß steht, dass jemand einen Namen nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben hat, spätestens dann muss doch mal jemand zurücktreten. Ein Bischof, der zurücktritt, weil er Fehler gemacht hat, das wäre für uns Betroffene ein echtes Zeichen." Aber der geplante Pressetermin im März 2020 platzt. Grund sei, so das Bistum, dass "nicht alle für eine Veröffentlichung relevanten rechtlichen Fragen abschließend geklärt werden" konnten. Und jetzt? Fast ein Jahr lang begleitet "Echtes Leben" die Mitglieder des Kölner Betroffenenbeirates. Mit welchen Hoffnungen haben sie sich zur Mitarbeit in diesem Gremium bereit erklärt? Fühlen sie sich wirklich auf Augenhöhe behandelt? Oder dienen sie als Feigenblatt und werden nur ausgenutzt?